New Work
Wer ein zukunftsfähiges Unternehmen führen möchte, weiß, wie wichtig es ist, stets ein Auge auf neue Entwicklungen und Trends - in der eigenen Branche und im Arbeitsmarkt allgemein - zu haben. Wenn man sich mit den aktuellen Trends der Arbeitswelt auseinandersetzt, stößt man immer wieder und in verschiedenen Kontexten auf den Begriff „New Work“. Woher dieses Konzept stammt und was sich dahinter verbirgt, möchten wir Ihnen in diesem Überblicksartikel zusammenfassen.
Begriffsherkunft
Der Begriff „New Work“ ist ein Konzept des Sozialphilosophen Frithjof Bergmann.
Während der Rezession der frühen 1980er herrschte in Flint, Michigan, USA – dem damaligen Zentrum des US-Amerikanischen Automobilbaus - Unruhe, die durch steigende Arbeitslosigkeit und Sorge über weitere Massenentlassungen ausgelöst wurde. Bergmann beobachtete diese Entwicklung und verfolgte umfangreiche Studien und Experteneinschätzungen über den Einsatz neuer Technologien und Methoden in produzierenden Unternehmen wie General Motors, welche zu dem Ergebnis kamen, dass diese Personaleinsparungen von 50%-65% ermöglichen könnten. Die aus diesen Erkenntnissen resultierende Befürchtung war, dass wenn sich diese beobachteten Trends fortsetzten, bald die Hälfte der Bevölkerung von Flint arbeitslos wäre, während die andere Hälfte in einem unbefriedigenden Arbeitsverhältnis mit vielen Überstunden weiterarbeiten würde. (Bergmann 1990, 2004)
Gemeinsam mit den forschenden Kollegen arbeitete Bergmann einen Entwurf zu einem „New Work“ Konzept aus; dieser 2x6 Monatsplan sah vor, dass alle Menschen in Flint ihren Job behalten sollten, aber nur ein halbes Jahr bei General Motors arbeiten und das andere halbe Jahr anderen (sinnvollen) Tätigkeiten nachgehen sollten.
Dieses Modell sollte zwar nicht als auf andere Städte übertragbares Ziel der Arbeit der Zukunft gesehen werden, allerdings sah Bergmann auch außerhalb von Flint beunruhigende Trends auf dem Arbeitsmarkt. In den 1990ern vermutete er, dass inzwischen 35% und 50% der amerikanischen Bevölkerung entweder arbeitslos waren oder mit ihrem Lohn unterhalb der Armutsgrenze lagen. Dies sah er als Zeichen dafür, dass die vorherrschende Arbeitskultur in eine Sackgasse geraten war (Bergmann 1990).
Seine neue Vision einer „New Work“ sollte den aktuellen Zustand der Arbeit umkehren und dazu führen, dass nicht die Menschen der Arbeit dienen, sondern die Arbeit den Menschen (Bergmann 2004). Voraussetzung für ein praktikables System der „neuen Arbeit“ ist Bergmanns Meinung nach „High-Tech-Eigen-Produktion“; der Einsatz moderner Technologien und Maschinen, die es Menschen ermöglichen, lokal 60-80% der lebensnotwendigen Güter selbst herzustellen. Die daraus resultierende Unabhängigkeit könnte dann von den Einzelnen dazu genutzt werden, einer Arbeit nachzugehen, die er oder sie als sinnvoll und erfüllend empfindet und die insgesamt weniger Lebenszeit in Anspruch nimmt (Bergmann 1990, 2004).
New Work heute
Wenn wir heute über „New Work“ sprechen, bezeichnen wir mit diesem Begriff verschiedene Ideen und Modelle. Auch wenn die utopische Vision Frithjof Bergmanns in den Hintergrund gerückt ist, bleibt ein Kern davon bestehen: etablierte Arbeitsmodelle mit einer invariablen 09:00 Uhr – 18:00 Uhr Arbeitszeit, vor Ort im Unternehmen, mit klar definierten Aufgabenbereichen und Zuständigkeiten in starren Hierarchieverhältnissen stoßen an ihre Grenzen. Sie entsprechen zum einen immer weniger den Erwartungen der Arbeitnehmer und zum anderen funktionieren sie in der heutigen vernetzten, digitalisierten und zunehmend komplexer werdenden Arbeitswelt auch häufig nicht mehr. Deswegen ist eine neue, flexiblere Arbeitsgestaltung, welche den Menschen wertschätzt und seine Bedürfnisse ernst nimmt gefragt.
Diese Flexibilisierung bezieht sich hauptsächlich auf die Bereiche:
- Arbeitsplatz
- Arbeitszeit
- Organisation und Zusammenarbeit
Der New Work Arbeitsplatz
Die Gestaltung eines „New Work“ Arbeitsplatzes beginnt bereits bei der Frage, von welchem physischen Ort aus die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten können oder sollen. Die zunehmende Digitalisierung verschiedenster Arbeitsplätze hat dazu geführt, dass viele Arbeitsvorgänge im Grunde von „überall“ aus erledigt werden können und nicht mehr die ständige Anwesenheit im Unternehmenssitz erfordern. Das Arbeiten aus dem Homeoffice hat sich in den vergangenen Jahren in vielen Unternehmen etabliert und ist nach aktuellen Umfragen wie zum Beispiel der IHK auch kein kurzweiliger Trend.
Für Unternehmen, die überlegen, entweder hauptsächlich oder teilweise – in einem sogenannten „hybrid work“ Modell - auf „remote work“ umzustellen, stellt sich die Frage, wie die Räumlichkeiten des Unternehmenssitzes in Zukunft gestaltet werden sollen, sofern sie überhaupt noch benötigt werden.
Ein beachtenswerter Trend aus dem Office Design für „hybrid work“ Modelle ist die Gestaltung des Büros als Begegnungsstätte, denn Arbeitsphasen, die Stille, Konzentration und Isolation erfordern, werden wahrscheinlich nicht jene Phasen sein, in denen die Mitarbeiter ins Büro kommen. Arbeitsphasen, die von dem gemeinsamen vor Ort sein profitieren, sind stattdessen Meetings, Brainstorming Sessions oder Kickoffs und der allgemeine soziale Austausch zwischen Kollegen. Daher liegt hier in der Gestaltung der Fokus auf der Förderung der Kommunikation mit einem offenen Design, Lounges und Konferenzräumen, aber auch Rückzugsorten für kleinere Besprechungen oder Telefonate.
Sogenannte Co-Working-Spaces sind insbesondere für Startups und Selbstständige, die nicht in eigene Büroflächen investieren wollen, aber auch für Menschen, die „remote“ arbeiten und einfach mal einen Tapetenwechsel vom Homeoffice brauchen, interessant. Hier teilen sich voneinander unabhängige Teams oder Einzelpersonen für einen begrenzten Zeitraum einen physischen Arbeitsplatz. Dadurch können alle Vorteile eines Büros, wie Büroausstattung oder Besprechungsräume für eine kurze Zeit, je nach Bedarf, genutzt werden.
Die New Work Arbeitszeit
Flexible Arbeitszeiten sind an sich kein neuer Trend, Gleitzeitmodelle, in denen Arbeitnehmer in einem definierten zeitlichen Rahmen ihre Arbeitszeit selbst einteilen können, werden bereits seit Längerem in der Praxis umgesetzt.
Zu der Flexibilisierung bei New Work Arbeitsmodellen kann aber auch eine grundsätzliche Verkürzung der Arbeitszeit gehören. Das Modell der 4-Tage Woche stellt ein Umdenken darüber dar, was es bedeutet, „Vollzeit“ zu arbeiten, ähnlich wie in der Mitte der 1950er-Jahre die Einführung einer 5-Tage Woche mit 40 Stunden Arbeitszeit gefordert und schließlich auch umgesetzt wurde. Auch neue Teilzeitmodelle wie „Shared Jobs“ oder „Shared Leadership“, in denen eine Vollzeitstelle oder Führungsposition in zwei oder mehr Teilzeitstellen aufgeteilt werden, tauchen im Diskurs über neue Arbeitsmodelle auf.
Die Begründungen für eine Verkürzung der „normalen“ Arbeitszeit sind unterschiedlich. Bei einem seit Ende 2021 laufenden spanischen Modellversuch der 4-Tage Woche ist das Ziel die Schaffung neuer Arbeitsplätze, während bei einem isländischen Modellversuch Stressreduzierung und Verbesserung der Work-Life-Balance im Vordergrund standen.
“Sabbaticals” lassen sich ebenfalls als eine Flexibilisierung der Arbeitszeit betrachten. Hier wird in der Regel in einer vorbereitenden Phase Arbeitszeit angespart, um sie dann im Anschluss für eine längere arbeitsfreie Zeit (in der Regel 6-12 Monate) aufzubrauchen. „Sabbaticals“ bieten eine im Vergleich zum regulären Urlaub deutlich längere Auszeit, welche zur Erfüllung von Träumen (z.B. eine sehr lange Reise), Weiterbildung, Reflexion oder zur ausgiebigen Erholung genutzt werden kann.
Die New Work Organisation und Zusammenarbeit
Auch Organisation und Zusammenarbeit spielen in New Work Modellen eine wichtige Rolle. Dazu gehören agile Methoden (wie zum Beispiel Scrum, Design Thinking oder Kanban), die bereits seit Längerem (vor allem in der Softwareentwicklung) eingesetzt werden. Im Vergleich zu den älteren, eher mechanischen Ansätzen, bei denen alle Arbeitsprozesse im Vorfeld von wenigen Personen geplant und festgelegt und danach von dem Team ausgeführt werden, werden bei einem agilen Vorgehen Projekte in mehrere Intervalle gegliedert, die zu Teilergebnissen führen, auf welche dann dynamisch reagiert werden kann. Entscheidungen können beim agilen Arbeiten flexibel und selbstorganisiert von den Mitarbeitenden getroffen werden.
Dazu kommen digitalisierte Kommunikation und vielfältige Wege des Wissensmanagements. Hier steht mit Konzepten wie Peer Learning, Mentoring, Coaching oder kollaborativen Lernen das Ziel, einen stetigen Wissenstransfer zwischen Unternehmen und Mitarbeitern sowie zwischen Mitarbeitern untereinander zu gewährleisten, im Vordergrund.
Die Organisation erfolgt netzwerkartig mit flachen Hierarchien. Welche Form moderne Führung bei New Work Modellen einnimmt, kann unterschiedlich gestaltet sein. Mögliche Formen sind selbstorganisierte Teams, welche Entscheidungen kollektiv beschließen und ein hohes Maß an Selbstführung unter Rahmenbedingungen voraussetzen oder temporäre beziehungsweise wechselnde Führung bei Projektarbeit. Insgesamt steht bei New Work häufig interdisziplinäres und hierarchieübergreifendes Arbeiten im Vordergrund. Führungskräfte werden zu Organisatoren oder begeben sich in die Rolle von Mentoren oder Coaches.
New Work Fazit
New Work ist eine Reaktion auf eine sich verändernde Arbeitswelt, bei der das selbstbestimmte Individuum im Vordergrund steht.
Wachsende Anforderungen an die individuellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die immer dynamischer auf neue Aufgaben und Technologien reagieren müssen, sollen durch ein größeres Maß an Flexibilität und eine bessere Work-Life-Balance ausgeglichen werden.
Dabei gibt es kein singuläres New Work Modell, was auf alle Unternehmen und Bereiche übertragen werden kann, sondern eine Vielzahl von Ideen und Ansätzen, die maßgeschneidert für individuelle Unternehmen mit individuellen Problemen und Anforderungen eingesetzt werden können.
Die Überlegung, ob man als Arbeitgeber New Work anbieten will, ist in vielen Fällen die falsche Frage, da in der Praxis durch den Einsatz von Homeoffice-Tagen, Gleitzeit oder agilen Methoden New Work bereits in vielen Unternehmen gelebt wird. New Work findet also bereits statt, es ist in vielen Fällen nur eine Frage der Wahrnehmung und Identifikation.
Es geht heute nicht mehr darum, „ob“ New Work eingesetzt werden soll, sondern „wie“ New Work optimal umgesetzt werden kann.
Quellen:
Bergmann, Frithjof. 1990. Neue Arbeit (New Work): Das Konzept und seine Umsetzung in der Praxis. In: Fricke, Werner (Hrsg). Jahrbuch Arbeit und Technik. S.71-90.
Bergmann, Frithjof. 2004. Neue Arbeit, Neue Kultur. Freiburg: Arbor Verlag.

