HR-Trends
Die Arbeitswelt ist stetig im Wandel und mit ihr ändert sich die Personalarbeit. Sei es Fachkräftemangel, Digitalisierung, „New Work“ oder „remote work“ aus dem Homeoffice, für HR-Manager im speziellen und für Unternehmen generell bleibt es wichtig, am Ball zu bleiben und sich als attraktiver Arbeitgeber im Markt zu positionieren. Das war gewiss schon immer sinnvoll, aber heute, könnte der Wille und die Bereitschaft, sich zu verändern und das Management zu modernisieren, wichtiger sein denn je.
Die Corona Pandemie hat in allen Lebensbereichen ihre Spuren hinterlassen und es ist nicht verwunderlich, dass sie auch beeinflusst hat, wie wir arbeiten und wie wir arbeiten wollen.
Parallel tritt eine neue Generation („Gen Z“ +49 173 3860401 mit ihren Werten und Vorstellungen in den Arbeitsmarkt ein und trifft auf ältere Generationen, die zunehmend länger im Berufsleben bleiben.
Amerika kämpft noch immer mit den Folgen der „Great Resignation“ - manchmal auch als „Big Quit“ bezeichnet - und auch in Deutschland befürchten einige Unternehmen eine drohende Kündigungswelle. Die Situation in Deutschland war und ist durch die Möglichkeit zur Kurzarbeit und verschiedene verlässliche Sozialleistungen gewiss eine andere als in den Staaten, aber auch hier zeigen sich Anzeichen einer veränderten Mentalität.
Eine Umfrage von Indeed hat ergeben, dass 79% der Unternehmen aktuell Probleme beim Rekrutieren und Besetzen ihrer Stellen haben. Wir als Personalberater, die Recruiting als Dienstleistung anbieten und uns täglich auf die Suche nach den besten Kandidaten für einen offenen Job begeben, können diesen Trend für Deutschland bestätigen.
Der Markt um Top Talente ist hart umkämpft und um diese für einen Arbeitgeber zu begeistern, reicht es längst nicht mehr, lediglich etwas mehr Gehalt zu bieten als die direkte Konkurrenz. Was macht ein attraktives Jobangebot aus? Wie verhindert man, dass die bestehenden Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen kündigen, und wie begeistert man langfristig die künftigen Kollegen?
Im nachfolgenden haben wir die aus unserer Sicht vier wichtigsten HR-Trends für Sie zusammengefasst.
1. Flexibilität, Hybrid & Remote Work
In der Pandemie haben sich viele Menschen daran gewöhnt, „remote“ von zu Hause aus zu arbeiten und - sei es durch fehlende Fahrtzeiten oder Selbstoptimierung im Homeoffice - mehr Freizeit zu haben. In Zukunft wieder jeden Tag im Büro zu verbringen, erscheint für viele immer weniger reizvoll.
Laut einer Accenture Studie bevorzugen 83% der Befragten ein hybrides Arbeitsmodell, in dem teilweise im Büro und teilweise von zu Hause oder „Überall“ gearbeitet werden kann. Ein Modell, bei dem zumindest ein Teil der Arbeitszeit remote gearbeitet werden kann, kann sich auch der Großteil der von der IHK befragten Unternehmen vorstellen. Ein wichtiges Schlagwort in diesem Kontext ist „work flexibility“. Neben dem Arbeiten aus dem Homeoffice gehören auch andere Angebote und Modelle wie zum Beispiel die „4-Tage-Woche“, Jobsharing oder flexible Arbeitszeiten zu diesem Überbegriff. Ziel ist es, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Arbeitsgestaltung zu ermöglichen, die zu deren Leben passt und sich harmonisch einfügt, anstatt ein starres Jobkorsett vorzugeben, an das sich alles andere anpassen muss.
Doch mit der Umstellung auf neue Modelle kommen auch Herausforderungen auf das Personalmanagement zu, denen es sich rechtzeitig zu stellen gilt.
Während man einen Arbeitsplatz in einem Büro planen und ausstatten kann, sieht das „Homeoffice“ bei allen Mitarbeitern anders aus. Wie stellt man also sicher, dass der Arbeitsplatz bei allen Angestellten, unabhängig des physischen Standorts, weitestehend fair und gleichwertig gestaltet ist? Die Probleme und Lösungen werden sich von Einzelfall zu Einzelfall unterscheiden, was sie gemeinsam haben ist, dass der Schlüssel zur Lösung in der Kommunikation liegt. Ob ein ergonomischer Bürostuhl oder ein neuer Bildschirm beschafft werden muss oder ob ein Mitarbeiter mit wenig „remote work“-Erfahrung ein Re-Onboarding benötigt, muss individuell abgesprochen werden.
Die Arbeitsorganisation und Prozesse sowie die verwendeten Methoden und Tools müssen ebenfalls an flexible Arbeitsbedingungen angepasst werden, damit sichergestellt wird, dass die Kommunikation zwischen den Mitarbeitern, auch wenn sich manche (fast) nie sehen, weiterhin funktioniert und die Teams ihre Ziele fristgerecht erreichen.
Damit geht auch immer häufiger eine neue Organisationsform einher. Wenn flexibel und agil gearbeitet werden soll, wird ein höheres Maß an Selbstverantwortung und Selbstorganisation nötig. In der gemeinsamen Arbeit finden sich in der Praxis daher vermehrt sogenannte „selbstorganisierte Teams“. Anstatt Anweisungen einer Führungskraft auszuführen, die Regeln aufstellt und Entscheidungen fällt, werden hier Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit im Team festgelegt und Entscheidungen gemeinsam gefällt. Dieser Trend hat auch Auswirkungen auf die Führungskräfte der Zukunft; statt durchsetzungsstarken Managern werden zunehmend diplomatische Coaches gesucht.
2. Skill-basierte Einstellungen und Upskilling
In der heutigen Berufswelt können sich die in der Praxis konkret ausgeübten Tätigkeiten schnell verändern. Durch Automatisierung und Digitalisierung fallen manche zuvor manuell verrichteten Arbeiten weg, neue Arbeitsabläufe und Tools werden zur Norm und neue Skills gewinnen an Relevanz.
Im Recruitment neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind deswegen neue Auswahlkriterien und Strategien gefragt. Ein bestimmter Abschluss oder ein spezieller Jobtitel ist in vielen Fällen deutlich weniger relevant als das Vorhandensein bestimmter Skills und Erfahrungen. Das gilt für Hardskills wie zum Beispiel Sprach- oder Softwarekenntnisse, als auch für Softskills wie Adaptivität, Zeitmanagement oder Umgang mit Stress.
Wie diese Fähigkeiten erworben wurden, ist nebensächlich. Große Tech-Unternehmen wie IBM oder Google haben das schon vor Jahren erkannt. Besonders im IT-Bereich gibt es eine Vielzahl von Bewerberinnen und Bewerbern, die sich ihr Wissen eigenständig angeeignet und in der Praxis vertieft haben und dieses Know-how ist oft näher an den neuesten Trends als das, was in teils starren Universitätslehrplänen vermittelt wird.
Auch außerhalb der sich stets im Wandel befindenden IT-Branche lohnt es sich unter Umständen, stärker auf die vorhandenen Skills und konkreten Tätigkeiten in den letzten Jahren zu achten als auf einen möglicherweise viele Jahre zurückliegenden Abschluss.
Die HR-Abteilungen stehen dadurch natürlich vor der Herausforderung, wie sie das Vorhandensein der für einen Job nötigen Fähigkeiten im Einstellungsverfahren abfragen, da sich ein „Skill“ schwerer nachweisen lässt als das Vorhandensein eines Diploms oder Zertifikats.
Auch hier lohnt sich ein Blick auf die Tech-Unternehmen, die sich durch verschiedene Tests und Arbeitsproben einen Überblick über die vorhandenen Hard- und Softskills verschaffen. Externe Dienstleister können bei Bedarf die eigene Personalabteilung im Einstellungsverfahren unterstützen und zum Beispiel Assessment Center - je nach Kapazität entweder vor Ort im Unternehmen, online oder in externen Räumlichkeiten durchführen.
Für bereits vorhandenes Personal ist „Upskilling“ ein zentrales Thema. Besonders in einem hart umkämpften Arbeitsmarkt „wird Career Development“ immer wichtiger. „Lifelong learning“ sollte nicht ausgewählten Führungs- und Schlüsselrollen vorbehalten bleiben. Nicht nur, weil es aktuell schwierig und zeitaufwendig ist, neue Vakanzen zu besetzen, sondern auch, weil Menschen zunehmend älter werden und länger im Berufsleben bleiben.
Eine Weiterbildung älterer Mitarbeiter führt erstens zu einem größeren Skillpool im Unternehmen und es mildert zweitens auch Differenzen zwischen älteren und jüngeren Angestellten.
Für die HR-Abteilungen lohnt es sich zu schauen, welche Skills bereits im Unternehmen vorhanden sind und welche Skills bereits existierende Mitarbeiter sich aneignen können und wollen. Unter Umständen hat man das gesuchte Talent bereits an Bord.
3. Unternehmenswerte
„Purpose“, die Zielsetzung, ist das, was einen Menschen antreibt und motiviert. Besonders in den letzten Jahren hat bei vielen Menschen ein Umdenken stattgefunden; der Sinn des eigenen Handels und auch der Sinn der beruflichen Tätigkeit hat mehr Bedeutung bekommen. Jedoch darf man die Corona Pandemie nicht als einzelnen Auslöser für diesen Sinneswandel – und vielleicht für ein vorübergehendes Phänomen - halten.
Insbesondere in der Generation, die gerade in den Arbeitsmarkt eintritt, sind politische Themen wie „Klimawandel“ oder „soziale Gerechtigkeit“ prägende Anliegen. Aber auch außerhalb der „Generation Z“ hat eine Sensibilisierung für derartige Themen stattgefunden. Eine Umfrage von Glassdoor hat ergeben, dass sich mehr als Dreiviertel der deutschen Befragten nicht bei einem Unternehmen bewerben würden, dessen Werten nicht den eigenen entsprechen!
Analog zum individuellen „Purpose“ bezeichnet der „Corporate Purpose“ das, was ein Unternehmen – abseits von wirtschaftlichen Zielen - antreibt.
Um im Jahr 2022 und in den folgenden Jahren ein attraktiver Arbeitgeber zu sein, mit dem sich die Mitarbeiter identifizieren können, ist es nahezu unumgänglich, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wofür das Unternehmen steht.
Dabei ist es wichtig, dass der „Corporate Purpose“ mehr ist als eine Marketingkampagne, die sich bei genauerem Hinschauen als bloßes Lippenbekenntnis entpuppt. Denn wenn dieser selbstbestimmte „Corporate Purpose“ nicht authentisch ist und mit dem Handeln des Unternehmens übereinstimmt, wird er schnell als hohle Floskel enttarnt und hat unter Umständen den gegenteiligen Effekt.
Für das Human Resources Management kann es Aufgabe sein, relevante KPIs festzulegen, aufzubereiten und auszuwerten und zusätzlich Vorschläge zu machen, wie zielführendes Verhalten im Unternehmen umgesetzt werden kann.
In Bezug auf Nachhaltigkeit und Umweltschutz kann man zum Beispiel den CO2-Fußabdruck des Unternehmens ermitteln und überwachen oder alternative Mobilitätsangebote, wie Mitarbeiterfahrräder oder Jahrestickets für den öffentlichen Nahverkehr anbieten, sowie Incentives, die umweltschonendes Verhalten belohnen.
Die Aufgabe einer zukunftsorientierten Human Resources Abteilung geht demnach über das Finden und Umsetzen von Ideen und Strategien im Bereich Employer Branding und Personalmarketing hinaus; die eingesetzten Marketing-Instrumente und Maßnahmen müssen stetig mit der vorherrschenden Unternehmensrealität abgeglichen werden und Abweichungen in Einklang gebracht werden.
4. Well-being & Mental Health
„Wohlbefinden“ und „Mentale Gesundheit[CK1] “ sind gewiss keine brandneuen HR-Trends, aber ein Themenkomplex, der zunehmend Bedeutung gewinnt und immer weiter gewinnen wird. Blickt man auf die bereits oben angesprochenen Trends und Entwicklungen, erscheint das auch nicht verwunderlich. Der Arbeitsmarkt sowie die Vorstellungen und Erwartungen der sich darin bewegenden Personen haben sich verändert und diese Veränderungen und Trends greifen Hand-in-Hand. Unterm Strich steht sowohl für die bestehenden sowie künftigen Angestellten der Wunsch nach einem Job, bei dem man sich wohlfühlt.
Für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber bedeutet das, Angebote, die das Wohlbefinden der Angestellten verbessern sollen, nicht nur als beiläufige „Benefits“ zu sehen, sondern als breites (ernst gemeintes) Angebot, die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in verschiedenen Aspekten ihres Lebens zu unterstützen. Diese Unterstützung kann vielfältig aussehen und reicht von dem Bereitstellen von Ressourcen und Kontakten, über Kursangebote, traditionelle Fitness- und Wellnessangebote (wie Yoga und Massagen) bis hin zu den bereits erwähnten flexiblen Arbeitsbedingungen, die eine bessere Work-Life-Balance ermöglichen.
Die Unterstützung kann in vielen Fällen auch über das Berufsleben hinausgehen. Die Corona Pandemie hat deutlich und sichtbar gemacht, wie schwammig die Grenze an vielen Stellen zwischen Arbeit und Privatleben ist und durch die Zunahme flexiblerer Arbeitsbedingungen, wie dem Arbeiten aus dem Homeoffice, verschwimmt diese Grenze auch außerhalb der Pandemie.
Angebote, die sich an das Wohlbefinden der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter richten, sind mehr als nur ein Versuch zunehmend komplexer werdende Jobs, die häufig eine höhere zeitliche Verfügbarkeit und Flexibilität sowie mehr eigenständigen Organisationsaufwand abverlangen, auszugleichen. Sie bieten auch eine Möglichkeit, Wertschätzung zu vermitteln, nicht nur für die geleistete Arbeit, sondern auch für den Menschen, der sie leistet.
Für die HR-Abteilungen und Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ist das eine wichtige Chance, den durch neue flexible Arbeitsbedingungen entstehenden Entfremdungsprozessen entgegenzuwirken und die Bindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an das Unternehmen zu stärken.
